So hatte sich Dr. Elke Bleier-Staudt ihren ersten Arbeitstag sicher nicht
vorgestellt. Kaum dass die neue Direktorin des Kepler-Gymnasiums am Morgen des
1. Februar ihren Dienst angetreten hatte, rückte eine gewaltige Schar von
Schaulustigen an, um Zeugen des "Baggerbisses" an der Kepi-Aula zu
sein. Nach nur 49 Jahren muss der Mittelbau mit dem erinnerungsreichen
Festsaal dem Mensa-Neubau weichen. Hunderte von Schülern, Lehrer, Behördenvertreter
sowie die komplette Rathausspitze fanden sich kurz vor 11 Uhr ein, um diesem
Spektakel beizuwohnen. Für Boris Palmer, den frisch gewählten Tübinger
OB, war dies der erste offizielle Akt dieser Art. Und sein Auftritt glich vor
allem bei den jüngeren Schülern dem eines Pop-Stars. Kaum hatte der
junge Rathaus-Chef seine Rede, in der er die Konzeption des geplanten Bauwerks
erläuterte, beendet, beachtete keiner mehr die feierlichen Klänge
des Bläser-Ensembles der Schule: Palmer wurde von Autogramm-Jägern
umringt wie weiland DSDS-Idol Daniel Küblböck.
Wenig Gehör, augenscheinlich schon gar nicht bei den Verantwortlichen,
fand auch die Botschaft der stellvertretenden Kepi-Schulleiterin Ingeborg Höhne-Mack,
die der neuen gemeinsamen Mensa für die drei Gymnasien auch die entsprechende
personelle Ausstattung wünschte.
Nach weiteren, wohlgesetzten Worten der Sprecher von Schülern, Eltern und
Lehrern schließlich schritt Palmer zu Tat. Kurz eingewiesen und assistiert
von Abrissunternehmer Martin Hohensee griff er auf dem Sitz des schweren Baggers
in die Hebel und begann unter dem johlenden Beifall der Schüler am Vordach
der Aula zu knabbern. Der Noch-Landtagsabgeordnete der Grünen fand sichtlich
Gefallen an der brachialen Macht des Geräts und erfüllte seine Aufgabe
weit mehr als vorgesehen. Als der Hilfs-Baggerist mit dem Ausleger auch noch
die Dachkonstruktion der dahinter liegenden Halle demolierte, griff der Kapo
ein: "Wir müssen da doch noch rein", bremste er weiteren Aktionismus
des OB.
Gebremst werden mussten danach auch die Schülerhorden, die nach der gut
einstündigen Zeremonie als Souvenirjäger Splitter und Holzstücke
des komplett zerlegten Vordachs zu stibitzen trachteten. Die Offiziellen indes
trafen sich auf Einladung der Stadt im Wildermuth-Gymnasiums dann noch zum kleinen
Umtrunk.
Stimmungsvolles Bild von Ulrich Metz (Tagblatt-Fotograf und ehemaliger Kepler-Schüler)