Mensa-Einweihung18. September 2008 |
"Heute ist ein schlechter Tag für Burger, Döner
und Cola light!" So wollte Tübingens OB Boris Palmer eigentlich
seine Rede eröffnen, verriet er den gut 200 Festgästen, darunter Tübinges
Ehrenbürger und Ex-Kepi-Musik-Chef Helmut Calgeer, bei der offiziellen
Einweihung der Mensa am Donnerstagvormittag. "Doch ich hab's mir anders
überlegt", gestand er, schließlich warb eine Tafel am Eingang
des schmucken Neubaus gleich am ersten Tag mit ... Dönerteller - "hoffentlich
Bio mit leckerem Salat, um die jungen Leute zu überzeugen", so Palmer
in seiner Festrede.
Die neue Mensa bietet Mittagsverpflegung für die drei Uhlandstraßen-Gymnasien,
damit stehen nach Angaben der Stadtverwaltung rund zwei Dritteln aller Tübinger
Gymnasiasten Ganztagesangebote zur Verfügung.
Auf rund 250 Plätzen kann die Mensa auf zwei Ebenen jeden Tag bis zu 1000
Schüler versorgen. Beim Verpflegungskonzept setzt die Schulkantine auf
eine reichhaltige und gesunde Auswahl an Bio-Lebensmitteln. Das Essen wird nach
den Richtlinien des Demeterverbandes produziert und tiefgefroren vom hessischen
Bio-Caterer Dr. Harald Hoppe aus Kassel geliefert. Frischeprodukte stammen von
örtlichen Anbietern. Die Schüler und Lehrer können zwischen sechs
Thementischen wählen, das Angebot reicht vom frischen Wokgericht über
Tagesgerichte, Snackstation, Salat- und Nudelbar bis zum Dessertstand.
Es sei dem "zupackenden Naturell" seiner Amtsvorgängerin Brigitte
Russ-Scherer zu verdanken, dass dieses Projekt bezahlbar blieb, sagte Palmer.
Hilfreich sei es dabei gewesen, dass das Regierungspräsidium Tübingen
"deutlich mehr als die Hälfte der Zuschüsse im Land geangelt
hat (bei nur rund 20 Prozent Bevölkerungsanteil!)." Weil die IZBB-Bundesmittel
nach dem "Windhund-Prinzip" vergeben wurden, habe das Regierungspräsisium
die Anträge besonders rasch bearbeitet, lobte Palmer.
Insgesamt wurden am Kepi gut sieben Millionen Euro investiert: 1,3 Millionen
in den Aus- und Umbau der naturwissenschaftlichen Fachräume und Sammlungen
und 5,7 Millionen in die Mensa. Gut fünf Millionen Euro schoss dabei der
Bund zu, aus der Schulbauförderung des Landes kamen 155 000 Euro. Rund
zwei Millionen Euro schließlich steuerte die Stadt bei.
Neben dem großzügigen Raumangebot auf drei Etagen verfügt der
Neubau "neben dem LTT über die wohl schönste Bühne in Tübingen",
war der OB überzeugt. damit biete das Haus vielfältige Begegnungsmöglichkeiten.
Palmer kündigte an, dass nun demnächst die Uhlandstraße so umgestaltet
werden soll, "dass sie als Schulhof taugt". Außerdem ist geplant
nach dem Mensa-Neubau mit Niedrigenergie-Standard und der tiefgreifenden Sanierung
des Wildermuthgymnasiums als Nächstes Kepler- und Uhland-Gymnasium zu sanieren
- so der Gemeinderat dies beschließt.
Dass der Mensa-Neubau genau an dieser Stelle errichtet wurde, war behördlicherseits
nicht unumstritten, berichtete Regierungspräsidiums-Vize Wolf-Dietrich
Hammann. Die Nähe zum Wasser und der Balkon im Erdgeschoss sei dabei der
Knackpunkt gewesen. Am Ende hätten sich die Verantwortlichen aber zusammengerauft.
Dass die Stadt die Verkehrssicherungsplficht für den Uferstreifen und Schüler
mit Lehrern die Patenschaft für die Uferbepflanzung als Teil des Unterrichts
übernehmen, war dabei ein wesentliches Argument.
Beinahe magisch ist für den Stuttgarter Architekten Kai Haag vom Planungsbüro
"Drei Architekten" die Zahl drei mit der Mensa verbunden. Vor drei
Jahren habe man gerade mal drei Tage Zeit gehabt, einen ersten Entwurf für
die Dreier-Mensa anzufertigen. Drei Funktionen - Essen (Mensa), Kultur (Aula)
und Lernen (Mediothek) sollten auf drei Ebenen untergebracht werden. Und das
ist mit dem lichten Treppenhaus, das das Tageslicht bis ins Untergeschoss leitet,
mit leuchtenden Farben und einem Materialmix aus Sichtbeton und Holz sichtlich
gelungen. Haag verriet noch einen Kunstgriff: Um einem Jahrhundert-Hochwasser
zu begegnen, wurden die Fenster im Untergeschoss besonders standfest ausgeführt:
Steigt der Neckarspiegel, fühlt man sich hier wie im Aquarium. Statt eines
symbolischen Schlüssels ("Angesichts der Schließanlage ohnehin
ein Anachronismus") schenkte das Architekturbüro dem Hausherrn ein
großes, in der Aula an der Wand umlaufendes Faksimile eines handschriftlichen
Zitats von Johannes Kepler: "Wenn die Sonn' der Ursprung aller Bewegung
der Sterne ist, heißt das nicht, sie sei allein zur Beleuchtung der kleinen
Erdenkugel erschaffen worden."
Mit einem Dutzend Blumensträußen dankte Hausherrin und Kepi-Direktorin
Elke Bleier-Stadt den Helfern in schwieriger Bauzeit, die die Widrigkeiten seit
dem Baggerbiss vor zwei Jahren erträglicher machten. "Jedes neue Schulhaus
weckt eine neue Utopie", sagte die Schulleiterin, die just am Tag des Aula-Abrisses
- symbolisch legte Boris Palmer als "erster Handwerker", wie er stolz
sagte, hier demolierend Hand an - ihren Dienst am Keplergymnasium antrat. "Der
Neubau führt uns einen wesentlichen Schritt zur Ganztagesschule, er bietet
uns Platz für mehr gemeinsame Zeit", hob die Direktorin hervor, denn
"Schule kann mehr sein als nur Lehren und Lernen, sie wird so zur zweiten
Heimat!"
Peter U. Bussmann